Dispositiv (IX): Das neueste deutsche Dispositiv: "Alternativ" ist jetzt rechts (II): POPGIDA, oder THE KIDS ARE NOT ALL RIGHT
Kleiner Versuch, den kulturellen Grabenkrieg der Rechten im Pop mit Antonio Gramsci zu verstehen:
POPGIDA, oder THE KIDS ARE NOT ALL RIGHT
Georg Seeßlen - 4. August 2017 - getidan
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Der schleichende Tod der Jahre 68 und 89/90
(Rationnalgalerie, 07. August 2017)
Dispositiv (V): Das neueste deutsche Dispositiv: "Alternativ" ist jetzt rechts = "Konservative Reformation" (Meuthen)
POPGIDA, oder THE KIDS ARE NOT ALL RIGHT
Georg Seeßlen - 4. August 2017 - getidan
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- ... Wenn also Elemente von Pop-Kultur im allgemeinen und Pop-Musik im besonderen von rechts gekapert werden können, dann gibt es dafür sehr unterschiedliche Gründe. Man kann bei jeder der fünf Basis-Elemente anfangen: Distinktion scheint mit einem „kernigen“ rechten Auftreten schneller zu erreichen als mit Auftreten in einem linksliberalen Brei, auch die Rechte hat ihre ambigue Sexiness; der Echoraum medialer Aufmerksamkeit ist, wie beschrieben, garantiert, die liberale Mitte ist vorhersehbar schockiert, vorhersehbar ist die Reaktion der Medien, und nichts ist erfolgversprechender, als sehr weit rechts zu beginnen, und sich dann von der Mitte aufsaugen zu lassen: rechte bis faschistoide Tendenzen sind locker mit dem Mainstream zu verknüpfen; zwischen Frei.Wild und Helene Fischer-Fans gibt es keine fundamentalen Widersprüche, und plötzlich ist auch zwischen „rebellischer Jugend“ und dumpfem Stammtisch gar nicht mehr groß zu unterscheiden; der rechte Lebensentwurf, der bei den Skinheads womöglich noch auf eine gewalttätige Nazi-Subkultur abzielte, ist längst auf Karriere und Akzeptanz hin getrimmt. Daher ist beinahe jedes musikalische Genre mit einer rechten Abteilung vertreten, einige mehr, andere weniger, gewiss, einen Throbbing Gristle- oder Free Jazz-Fan wird man eher selten auf Pegida-Veranstaltungen sehen, und vielleicht hilft ja auch der gute alte Blues ein bisschen gegen rechts, aber ansonsten lässt sich das musikalische (und damit verbunden: das optische) Statement gewiss nicht mehr zugleich als politisches Bekenntnis verstehen.
Das Kapern von Begriffen, Bildern und Erzählungen des Pop von Seiten der mehr oder weniger neuen Rechten kann nicht ohne den Resonanzraum der Mainstream-Medien gelingen, ein Feedback, das dem Unternehmen eine Kraft verleiht, die es allein gar nicht hätte. Von der politischen Fraktion des Rechtspopulismus übernehmen die rechten Pop-Acts nicht nur die Taktik des Sagens und dann doch nicht Gesagt-Habens, und die Selbststilisierung als Opfer übler Nachrede und böswilliger Verleumdungen, sondern auch das Feindbild von Elite und „Establishment“, und damit kann man auch wieder andocken an klassische Modelle von Trotz und Aufbegehren. Die Rechte kapert das Phantasma der Jugendlichkeit im Pop. Das vermeintliche Gutmenschentum wird den Seniorinnen und Senioren der Popkultur überlassen, lasst Merryl Streep oder Sting Humanismus und Demokratie verteidigen, wir dagegen spalten die Jugend vom Projekt der progressiven Zivilgesellschaft ab. Wenn diese Meta-Mythisierung gelingt, scheint Pop für eine Generation verloren: Rechts ist „jung“ (wie in „junge Freiheit“ und akuratem Scheitel in verschärftem HJ-Style), links ist alt (wie in Hippie, Dinosaurier, 68er, Gitarrensolo), rechts ist heftig, drastisch, provokativ, links dagegen eingeschlafen, laaangweilig, defensiv...
Der schleichende Tod der Jahre 68 und 89/90
(Rationnalgalerie, 07. August 2017)
Dispositiv (V): Das neueste deutsche Dispositiv: "Alternativ" ist jetzt rechts = "Konservative Reformation" (Meuthen)
gebattmer - 2017/08/09 19:12
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