Sind Nazis Pop? Jede Ästhetik hat eben ihre eigene Moral (?)
Sind Nazis Pop? - Götz Aly und Romuald Karmakar über den öffentlichen Geschichtsgebrauch
Der Film "Der Untergang" beeinflusst das Bild der Deutschen vom Nationalsozialismus - und nicht zum Besseren. Wer daran noch Zweifel hegte, den konnte vor wenigen Tagen eine repräsentative Umfrage endgültig eines Besseren belehren: Schulkinder, die im Rahmen ihres Geschichtsunterrichts eine Vorführung von Bernd Eichingers Führerbunkermelodram besuchen, haben eine positivere Meinung von Adolf Hitler, als diejenigen, die das nicht tun. Jede Ästhetik hat eben ihre eigene Moral. ...
Rüdiger Suchsland bei telepolis über eine wichtige Debatte. (Besonders zu empfehlen all den - ichverkneifmirdieAdjektive - Lehrern, die ihre Klassen in den Untergang geschleppt haben. ... -> Nochmal Klaus Theweleit: Chronik der laufenden Untergänge)
Im Zusammenhang mit der Nazi-Pop-Ästhetik des kulturellen und politischen mainstreams ist Lorenz Knorgels Analyse der Veränderungen der neuen Ästhetik der Neofaschisten interessant: "die strategische Etablierung vermeintlich 'linker' Symbole und Dresscodes neben den klassischen rechtsextremen Symbolwelten". Im neuen Heft der Blätter für deutsche und internationale Politik schreibt er u.a.:
Neben diesen inhaltlichen Komponenten in den rechtsextremen Diskursen und Symbolwelten übt auch linke Ästhetik zunehmende Faszination auf rechtsextreme Szenen aus. Schwarze Kleidung, Kapuzenpullis, Kinnbärte, die Verwendung linker Sprachcodes (den politischen Gegner "smashen" etc.) und "Antifa-Designs" - dies alles ist bei Aktivisten aus urbanen Regionen so selbstverständlich geworden, dass von einer rein provokativen Methode nicht mehr gesprochen werden kann. Vielmehr ist davon auszugehen, dass Mechanismen am Werke sind, die wie bei jeder ästhetischen Selbstinszenierung auf die Bildung und Festigung der "Wir-Gruppe" hinausläuft.
So dient das neue Outfit vermeintlich erfolgreicher politischer Bewegungen zur Erschließung neuer Zielgruppen durch Steigerung der Attraktivität gegenüberurbanenJugendszenen.Die Selbstinszenierung verstärkt den Gruppenzusammenhalt und ermöglicht gleichzeitig ein elitäres Selbstverständnis innerhalb der rechtsextremen Szene (äußerliche Abgrenzung von Skinheads und "Scheitelträgern" der NPD). Darüber hinaus ermöglicht das nicht mehr eindeutig der rechtsextreme Szene zu zuordnende Outfit ein vereinfachtes Agieren im öffentlichen Raum (Teilnahme an öffentlichen demokratischen Veranstaltungen und Demonstrationen). Damit gewinnt die rechtsextreme Szene neue Möglichkeiten zur Beeinflussung öffentlicher Diskurse. Die daraus abgeleitete rechtsextreme Politik ist auf zahlreichen Demonstrationen "gegen Harz IV" oder "gegen den Krieg im Irak" in die Praxis gesetzt worden ...
Der Film "Der Untergang" beeinflusst das Bild der Deutschen vom Nationalsozialismus - und nicht zum Besseren. Wer daran noch Zweifel hegte, den konnte vor wenigen Tagen eine repräsentative Umfrage endgültig eines Besseren belehren: Schulkinder, die im Rahmen ihres Geschichtsunterrichts eine Vorführung von Bernd Eichingers Führerbunkermelodram besuchen, haben eine positivere Meinung von Adolf Hitler, als diejenigen, die das nicht tun. Jede Ästhetik hat eben ihre eigene Moral. ...

Im Zusammenhang mit der Nazi-Pop-Ästhetik des kulturellen und politischen mainstreams ist Lorenz Knorgels Analyse der Veränderungen der neuen Ästhetik der Neofaschisten interessant: "die strategische Etablierung vermeintlich 'linker' Symbole und Dresscodes neben den klassischen rechtsextremen Symbolwelten". Im neuen Heft der Blätter für deutsche und internationale Politik schreibt er u.a.:
Neben diesen inhaltlichen Komponenten in den rechtsextremen Diskursen und Symbolwelten übt auch linke Ästhetik zunehmende Faszination auf rechtsextreme Szenen aus. Schwarze Kleidung, Kapuzenpullis, Kinnbärte, die Verwendung linker Sprachcodes (den politischen Gegner "smashen" etc.) und "Antifa-Designs" - dies alles ist bei Aktivisten aus urbanen Regionen so selbstverständlich geworden, dass von einer rein provokativen Methode nicht mehr gesprochen werden kann. Vielmehr ist davon auszugehen, dass Mechanismen am Werke sind, die wie bei jeder ästhetischen Selbstinszenierung auf die Bildung und Festigung der "Wir-Gruppe" hinausläuft.
So dient das neue Outfit vermeintlich erfolgreicher politischer Bewegungen zur Erschließung neuer Zielgruppen durch Steigerung der Attraktivität gegenüberurbanenJugendszenen.Die Selbstinszenierung verstärkt den Gruppenzusammenhalt und ermöglicht gleichzeitig ein elitäres Selbstverständnis innerhalb der rechtsextremen Szene (äußerliche Abgrenzung von Skinheads und "Scheitelträgern" der NPD). Darüber hinaus ermöglicht das nicht mehr eindeutig der rechtsextreme Szene zu zuordnende Outfit ein vereinfachtes Agieren im öffentlichen Raum (Teilnahme an öffentlichen demokratischen Veranstaltungen und Demonstrationen). Damit gewinnt die rechtsextreme Szene neue Möglichkeiten zur Beeinflussung öffentlicher Diskurse. Die daraus abgeleitete rechtsextreme Politik ist auf zahlreichen Demonstrationen "gegen Harz IV" oder "gegen den Krieg im Irak" in die Praxis gesetzt worden ...
gebattmer - 2006/02/09 00:20
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