Von der Notwendigkeit und Unmöglichkeit über den Tod zu sprechen
In den letzten Wochen und Monaten sind (ehemalige) Kollegen verstorben.Von der Notwendigkeit und Unmöglichkeit über den Tod zu sprechen. Dazu etwas Hilfreiches aus dem Audioarchiv kritischer Theorie & Praxis:
+ Oliver Decker: Ware:Körper. Zur Sozialpsychologie von Markt und Medizin
+ Guido Sprügel: Die Einsamkeit der letzten Dinge. Eine gesellschaftskritische Betrachtung der Sterbehilfe
+ Kirsten Achtelik: Auslese, Perfektionierung und die Last der Entscheidung
- Die Thematisierung des Todes, um den die materialistische Kritik „nie ein großes Gewese“ (Magnus Klaue) gemacht hat, erweckt häufig den Eindruck eines rein intellektuellen Spiels. Im Gegensatz zum Sterben, diesem körperlichen und oftmals schmerzhaften Prozess, scheint es unmöglich den Tod sinnvoll zu fassen: den Tod denkend zu bestimmen, überschreitet die Grenzen des Bestimmbaren. So haben aktuelle Versuche sich dem Thema aus einer kritisch-materialistischen Perspektive zu nähern, nicht zufällig zumeist eine thesenhafte Form.
Doch jede Beschäftigung mit dem Tod einzustellen, Tod und Sterben voneinander getrennt zu betrachten, greift zu kurz. Nicht ohne Grund sprach Adorno von der Abschaffung des Todes als wesentlichem Bestandteil utopischen Denkens, das versucht über das Bestehende hinauszukommen. Notwendig ist zudem eine Kritik am Umgang mit dem Tod, der „bloß noch die absolute Irrelevanz des natürlichen Lebewesens gegenüber dem gesellschaftlich Absoluten“ bestätigt. Den Tod als „Gegebenes“ (Jean-Paul Sartre) darzustellen und zu akzeptieren, bedeutet der „Ideologie der Unparteilichkeit des Todes“ (Max Horkheimer) zuzureden und die materialistische Kritik daran zu vernachlässigen, wohl wissend, dass in der falschen Gesellschaft “selbst die Utopie von der Abschaffung des Todes falsch wird” (Lars Quadfasel).
Im Rahmen der Vortragsreihe „Jeder stirbt für sich allein. Von der Notwendigkeit und Unmöglichkeit über den Tod zu sprechen“ werden Malina Schwarz und Morten Lund referieren und dabei an Auseinandersetzungen mit der Ideologie (und den Ideologen) des Todes erinnern. Sie zeigen unterschiedlichste Formen der Verherrlichung des Todes, die mit Martin Heidegger als deutschen Philosophen nicht rein zufällig den einflussreichsten Apologeten des Todes in der Moderne fand, und deren philosophische Kritik. Darüber hinaus zeigen sie aktuelle Entwicklungen im Umgang mit dem Tod, der “Nichtung aller Möglichkeiten” (Jean-Paul Sartre) auf, die zum einen in einer Ökonomisierung des Sterbens und des Todes zu sehen sind; zum anderen in einer Todessehnsucht. In „einer Welt in der es längst Schlimmeres zu fürchten gibt als den Tod“ (Theodor W. Adorno) bleiben Fragen: Wie ist es in diesen Zuständen um die Hoffnung bestellt, das Leben nicht vom Tod diktieren zu lassen? Wenn die gewalttätige Abkürzung des Lebens, die gerade in den verschiedenen Formen der Todessehnsucht ihren Ausdruck findet, nichts anderes ist, als die Dementierung des Glücksversprechens: Ist die Aufforderung das Ende seines Lebens selbst zu bestimmen, kaum mehr als eine voreilige Versöhnung mit Naturkräften?
+ Oliver Decker: Ware:Körper. Zur Sozialpsychologie von Markt und Medizin
+ Guido Sprügel: Die Einsamkeit der letzten Dinge. Eine gesellschaftskritische Betrachtung der Sterbehilfe
+ Kirsten Achtelik: Auslese, Perfektionierung und die Last der Entscheidung
gebattmer - 2014/06/16 19:36
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