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Aesthetik

Archäologie (CDI): Vom Lachen der Killer - Oder auch: NS-Konjunkturen im deutschen Nachkriegskino und das (fehlende/falsche) Psychogramm der Tötungslust

Eine historische Revision

Von Dietrich Kuhlbrodt
, nebst notwendiger Ergänzungen und Anmerkungen von Klaus Theweleit:

https://www.getidan.de/wp-content/uploads/1500/01/Hitler-Ganz.680.jpg
    Nach 1945 gab es vier Strategien, den Deutschen, die nun Ex-Nazis geworden waren, zu versichern, dass vorbei nicht vorbei ist. Wir sind nach wie vor Deutsche. Und dass es nur das nach wie vor feindliche Ausland ist, das Deutsche als Nazis vorführt. Solche Filme galten als „antideutsch“.

    Sie hatten keine Chance im Kino. Ein Film wie „Casablanca“ wurde um das Antideutsche bereinigt und von 120 auf 80 Minuten gekürzt. United Artists übte „aus verleihtechnischen Gründen“ Selbstzensur und brachte den Film 1952 ins Kino. Den wirtschaftlichen Erwägungen der ausländischen Verleihe, denen sich in der jungen Bundesrepublik Deutschland (BRD) ein relevanter Markt eröffnete, kam bereits 1949 die Britische Besatzungsmacht zur Hilfe, die die Einfuhr des dänischen Films „Die roten Wiesen“ untersagte, da “der Streifen antideutsch sei und deshalb unter den Zuschauern unerwünschte Regungen hervorrufen könnte“.

    In den 1950er Jahren wurde im deutschen Film die Strategie des Wir-Deutsche-waren-keine-Nazis schon aus dramaturgischen Gründen verbessert. Es gab im Einzelfall doch einen Nazi, und der war der Böse. Das hatte den Vorteil, dass alle anderen Deutschen die Guten waren. Die vielen Militärfilme dieser Zeit waren nach dem Muster gestrickt, dass es in der Wehrmacht keine Nazis gab, ja dass alles gutgegangen wäre, wenn es nicht einen Verräter, Spion, Kommunisten oder einen fiesen Gestapobonzen gegeben hätte. Zu diesen Filmen zählt auch „Nacht fiel über Gotenhafen“ (1959), der erste deutsche Film über den Untergang der Wilhelm Gustloff 1945 in der Ostsee. Da es seit März 2008 den zweiten deutschen Gustloff-Film („Die Gustloff“) gibt, haben wir Anlass, die Filme „Der Untergang“ und „Die Gustloff“ zu vergleichen...
    Vgl. Gotenhafen revisited - ein Seelischer Stunt
Uklanski-Piotr_Nazis_small.680
    Ende der 1990er Jahre veränderte sich die Stimmung. In Berlin/Zürich/New York waren 1999 Piotr Uklanski’s „The Nazis“ erschienen: seine Sammlung von Postern und Filmstills, die Hollywoods Schauspielerelite in Naziuniformen zeigte. Das Buch kommentierte die ganzseitigen Posen nicht (mehr dazu auf ikonenmagazin.de). Die Nazis waren geil geworden.
Das radikal Böse wird zunehmend enthistorisiert. Es bleibt die Frage nach dem Psychogramm der Tötungslust - Geht es um die Lust zu töten - nicht gezwungen, nicht befohlen, sondern weil man will???

Psychogramm der Tötungslust

In Klaus Theweleits "Das Lachen der Täter: Breivik u.a., Psychogramm der Tötungslust" geht es um die Lust zu töten - nicht gezwungen, nicht befohlen, sondern weil man will. Und es geht um den Körper, um Erfahrungen, darum, was in ihnen gespeichert ist. Dabei hat der Autor eine ganz eigene Sprachform entwickelt...
Sehr lesenswert die Rezension von Frank Hertweck beim Deutschlandfunk https://www.br.de/radio/bayern2/kultur/kulturwelt/buch-klaus-theweleit-100~_v-img__16__9__l_-1dc0e8f74459dd04c91a0d45af4972b9069f1135.jpg?version=40cf3


__________________
Ergänzung zu den NS-Konjunkturen im deutschen Nachkriegskino; hier zur Rolle Fassbinders:
Illusion Travels By Streetcar #58
The First Fassbinder Episode (1966-1970)


https://3.bp.blogspot.com/-YdtlOitnwv8/VVMho8yBfqI/AAAAAAAAKsE/2iQVFJFTHQ4/s1600/rwf.jpg

Archäologie (CCCXC ): Stephan Hermlins "Abendlicht" - Die Idee eines menschlichen Sozialismus

Stephan Hermlin war Kommunist und Ästhet. Er bezeichnete sich als einen spätbürgerlichen Schriftsteller, dem die französische Moderne näher lag als Shdanows Realismus-Begriff. Sein Name hatte in der DDR Gewicht. Aufgrund seines politischen Werdegangs - KP-Mitglied und Emigration -, hatte Hermlin Einfluss. Er gehörte zur alten Garde, wahrte aber Distanz zur Macht. Brechts Statement: "In mir habt ihr einen, auf den könnt ihr nicht bauen", war für ihn Programm. Wenn es notwendig war, bot Hermlin der Macht Paroli. Er war prominent und er genoss Achtung, ein aufrecht Gehender. Doch die Anerkennung, die Hermlin genoss, galt mehr der Person und weniger seinen schriftstellerischen Arbeiten. Die in den DDR-Sozialismus Hineingeborenen konnten mit seinen Texten wenig anfangen. Das änderte sich, als 1979 "Abendlicht" erschien. In dieser Prosaarbeit, die sich durch eine beeindruckende sprachliche Virtuosität auszeichnet, erzählt Hermlin die Lebensgeschichte eines jungen Mannes, die Parallelen zu seiner eigenen aufweist...

Stephan Hermlins "Abendlicht". Die Idee eines menschlichen Sozialismus. Von Michael Opitz. Deutschlandfunk

Hier zu hören

Forms & Feelings (IX): Holz, kürzlich am Bodensee







Forms & Feelings (VI): Kürzlich am Bodensee

"Diktatur der Ästhetik: ... Fleischburka" Oder: Die alte Angst vor dem Ewig-Weiblichen ...

Ein scharfer Denker, der Präsident des päpstlichen Kulturrats im Vatikan, Kardinal Gianfranco Ravasi:
    Mit Aussagen über die Legitimität von Schönheitsoperationen hat (er) ... aufhorchen lassen: Es sei "beeindruckend, wie die Schönheits-Operationen zunehmen, um einem äußerlichen Modell zu ähneln", äußerte sich Ravasi bei der Vorstellung des Tagungsprogramms zur am Mittwoch beginnenden Vollversammlung des päpstlichen Rats. "Es ist, als ob Frauen dazu verpflichtet seien, einem Rollenbild der Werbung zu entsprechen", legte der Kurienkardinal am Dienstag in einem Interview mit Radio Vatikan nach. Gleichzeitig sprach er von einer "Diktatur der Ästhetik".
    Ähnlich kritisch liest sich auch das Arbeitspapier zur Vollversammlung, die von 4. bis 7. Februar im Vatikan die "Kultur der Frau" thematisiert: Für die Ergebnisse plastischer Chirurgie wird darin der Ausdruck "Fleischburka" verwendet, solang es Frauen nur darum gehe, sich den äußerlichen Normen der Konsumgesellschaft anzupassen.
Dieser Text stammt von der Webseite https://www.kathweb.at/site/nachrichten/database/67716.html des Internetauftritts der Katholischen Presseagentur Österreich. Die Debatte um das Video zur Tagung lassen wir mal außen vor.

https://encrypted-tbn3.gstatic.com/images?q=tbn:ANd9GcTBNS0iVOgQiUksAHgMDOzczFuMhaM7bgEXrot0gnAtW8QCVIjgDA

Des Kardinals Wortschöpfung "Fleischburka" schien mir erstmal treffend, insofern er sich auf zweifelsfrei widerwärtige Erscheinungsformen dessen bezieht, was er Konsumgesellschaft nennt (- Andrea Roedig in: Scham heute III - WEIBLICHER KöRPER kann das allerdings präziser beschreiben!).

Allerdings ist es einerseits auch eine billige Islam-Replik und andererseits kriecht da doch auch die alte Angst vor dem Ewig-Weiblichen hervor:

 photo GardenofEden1956_zpsd53cb677.jpg

Wenn man dann noch mit aktuellen Debatten um einen fundamentalistischen Evangelen (Warum predigt sich ein Bremer Pastor ins Abseits? NOZ), der ja in seinem Denken nicht so weit von gewissen Imanen entfernt ist, belästigt wird und dann noch lesen muss, dass Papst Franziskus das Schlagen von Kindern für in Ordnung hält , dann liegt mE nur eine Schlussfolgerung nahe:

Mögen die, die an irgendein überirdisches Wesen glauben wollen, uns mit ihren Aberglauben-internen-Debatten in Ruhe lassen. Mögen sie das unter sich ausmachen und in Gemeindeblättern verhandeln, aber nicht die Öffentlichkeit damit belästigen und mögen die Medien aufhören, über die Interna dieser obsukuren Subkulturen an prominenter Stelle zu berichten. Die Öffentlichkeit hat andere Sorgen.
Und
Gott ist wohl wirklich tot. Nur der Teufel hat noch Konjunktur.


Vgl auch Daniela Dahn zum Burka-Verbot (FREITAG 2814)
+ God Only Knows Revisited: "Ich denke, also bin ich kein Christ."

... (IV): Bal tragique ... Oder: Boko Haram’s Nigerian victims urged to start satirical magazine. Oder: In fact in 2013, it was actually more likely Americans would be killed by a toddler than a terrorist.

En faisait référence à un dramatique fait divers du 1er novembre de la même année - l'incendie d'un dancing à Saint-Laurent-du-Pont qui fit 146 morts - pour rendre compte de la mort du général De Gaulle, titelte Hara-Kiri Hebdo - unter dem Chefredakteur Cavanna :
https://i-cms.linternaute.com/image_cms/400/1041588-bal-tragique-a-colombey-1-mort.jpg
Nachdem daraufhin die wöchentliche Ausgabe L’hebdo Hara-Kiri verboten wurde, gründeten die ursprünglichen Mitarbeiter von Hara-Kiri das Wochenmagazin Charlie Hebdo.

Wollen wir das probeweise - zur Erkundung der Möglichkeiten und Grenzen der Satire - einmal umdrehen?

Boko Haram hatte am 3. Januar Baga und umliegende Ortschaften angegriffen. Der Angriff vom Januar galt offenbar zivilen Selbstverteidigungsmilizen, die das Militär im Kampf gegen die Gruppe unterstützen. Nach Einschätzung von Amnesty wurden dabei mehrere hundert Menschen ermordet. (tagesschau.de)

https://www.amnesty.org/sites/impact.amnesty.org/files/imagecache/news-highlight/206247_Doro_Gowon_7_Jan_2015.jpg

Welche Meldung könnte eine Satire-Zeitschrift - „bête et méchant“ - daraus machen, wenn kurz darauf in Paris 12 Menschen bei einem Angriff auf eine zivile satirische Selbstverteidigungsmiliz sterben, - folgte sie dem Muster von damals? Wäre das Satire?

Ich verkneife mir den Einfall (auch wenn er sehr schön die widerlich-eurozentristische Doppelmoral bloßstellte, den einen Angriff hochzufahren als Angriff auf Presse-/Meinungsfreiheit und westliche Werte und den anderen allenfalls als weiteren Beleg für die Bedrohung derselben zu nehmen ...), kann aber verweisen - dank eines Hinweises der sehr geschätzten Mrs. Mop - (im Kommentar = unbedingt lesen!) - auf

Boko Haram’s Nigerian victims urged to start satirical magazine ( NewsThump, 15.01.)
... Satire at its best!

... muss aber auch - Nachtrag - darauf verweisen, dass die separatistische, antisemitische und rassistische Rechte sich nicht entblödet, den Ball/bal aufzunehmen:
Bal tragique à Charlie-Hebdo : Les traîtres liquidés par leurs protégés islamo-immigrés (Editorial de Boris Le Lay - BREIZ ATAO - Journal de l'Etat National Breton)!
Das ist bête et méchant, aber keine Satire, das ist völkische Hasspredigt! (Siehe unten: ... the vast majority of terror attacks in Europe were perpetrated by separatist groups); - oder wie schon Tucholsky sagte: Eine Satire, die zur Zeichnung einer Kriegsanleihe auffordert, ist keine.

Man kann doch ohne große Mühe zur Kenntnis nehmen - anders als die terribles simplificateurs -:
    Boko-Haram-Terror in Nigeria
    Zwar haben Boko-Haram-Führer immer wieder ihre Anlehnung an die großen islamistischen Terrornetzwerke bekundet, doch die Gruppe hat weniger mit radikalem Islam zu tun, als sie selbst zugibt. Ihre Anschläge richten sich nicht vorrangig gegen Christen - die meisten Opfer sind Muslime. Boko Harams Wurzeln liegen in der Armut Nordnigerias, zusätzlichen Auftrieb erhält die Miliz durch die Ignoranz der Regierung: Präsident Goodluck Jonathan äußert lieber Mitgefühl mit den Pariser Anschlagsopfern als mit den Toten in Baga. Im Februar will Jonathan wiedergewählt werden. Bis dahin, so vermuten Experten, wird er im Norden nichts unternehmen - zu egal ist den Mächtigen im Süden die Gewalt dort.
    Südlich der Sahara sind islamistische Terroristen wie in anderen Weltregionen eine winzige Minderheit gegenüber dem Heer moderater Muslime, die ihren Glauben gewaltfrei leben. Nicht der Islam hat diese Extremisten hervorgebracht, sondern ihr spezifischer lokaler Kontext. Gerade in Afrika zeigt sich außerdem, dass der Terror keine muslimische Spezialität ist. Die radikal-christliche Lord's Resistance Army (LRA), die ihren Ursprung in Uganda hat, beruft sich auf die Zehn Gebote des Christentums. Etwa 100 000 Menschen hat die von Joseph Kony gegründete Rebellengruppe auf dem Gewissen - von den Zehntausenden Kindern, die sie zu Kindersoldaten gemacht hat, ganz zu schweigen.

    (Süddeutsche Zeitung: Die Wahrheit ist der Tod, 17.01.)

    Are All Terrorists Muslims? It’s Not Even Close
    ... However, and this will probably shock many, so you might want to take a breath: Overwhelmingly, those who have committed terrorist attacks in the United States and Europe aren’t Muslims. Let’s give that a moment to sink in. (…)
    So here are some statistics for those interested. Let’s start with Europe. Want to guess what percent of the terrorist attacks there were committed by Muslims over the past five years? Wrong. That is, unless you said less than 2 percent.
    As Europol, the European Union’s law-enforcement agency, noted in its report released last year, the vast majority of terror attacks in Europe were perpetrated by separatist groups. For example, in 2013, there were 152 terror attacks in Europe. Only two of them were “religiously motivated,” while 84 were predicated upon ethno-nationalist or separatist beliefs. (…)
    And as a 2014 study by University of North Carolina found, since the 9/11 attacks, Muslim-linked terrorism has claimed the lives of 37 Americans. In that same time period, more than 190,000 Americans were murdered.
    In fact in 2013, it was actually more likely Americans would be killed by a toddler than a terrorist. In that year, three Americans were killed in the Boston Marathon bombing. How many people did toddlers kill in 2013? Five, all by accidentally shooting a gun.

    (The Daily Beast - Out of Proportion, 01.14.15; - toddlers sind übrigens Kleinkinder!)

Der Gottesstaat hat viele Gesichter und der Tod sowieso und offenbar gibt es Zeiten, in denen Satire nicht viel mehr sagen kann als



Über die Zeitereignisse sage ich nichts; das ist Universalanarchie, Weltkuddelmuddel, sichtbar gewordener Gotteswahnsinn! Der Alte muß eingesperrt werden, wenn das so fortgeht.

... oder: "Da stimmt etwas an der Rollenverteilung nicht", so Max Uthoff, "früher haben die Journalisten Journalismus gemacht und wir Satire. Und jetzt dreht sich das ein bisschen um."

For more information please reread - und den Kommentar und hier und hier!

Zum Fest: Gotts

Andy Gotts, MBE, Photographer, macht wunderbare Portraits.

https://shop.andygotts.com/lr/gumby3_palin_FINAL.jpg

Hier eine treffende Darstellung des sog. Wutbürgers durch Monty Python.

Grauenhaftes Spiel der Religionen: Badass Jihadis in White and Black - Zum 100. Todestag des Dichters Georg Trakl (feat. Arthur Rimbaud, Paul Celan und Leo Ferré)

https://www.lavie.fr/images/2013/03/19/38058_poor_650x370.jpg

Georg Trakl
Die tote Kirche

Auf dunklen Bänken sitzen sie gedrängt
Und heben die erloschnen Blicke auf
Zum Kreuz. Die Lichter schimmern wie verhängt,
Und trüb und wie verhängt das Wundenhaupt.
Der Weihrauch steigt aus güldenem Gefäß
Zur Höhe auf, hinsterbender Gesang
Verhaucht, und ungewiß und süß verdämmert
Wie heimgesucht der Raum. Der Priester schreitet
Vor den Altar; doch übt mit müdem Geist er
Die frommen Bräuche – ein jämmerlicher Spieler,
Vor schlechten Betern mit erstarrten Herzen,
In seelenlosem Spiel mit Brot und Wein.
Die Glocke klingt! Die Lichter flackern trüber -
Und bleicher, wie verhängt das Wundenhaupt!
Die Orgel rauscht! In toten Herzen schauert
Erinnerung auf! ein blutend Schmerzensantlitz
Hüllt sich in Dunkelheit und die Verzweiflung
Starrt ihm aus vielen Augen nach ins Leere.
Und eine, die wie aller Stimmen klang,
Schluchzt auf – indes das Grauen wuchs im Raum,
Das Todesgrauen wuchs: Erbarme dich unser –
Herr!

https://images.nzz.ch/eos/v2/image/view/643/-/text/inset/73ad379e/1.18347259/1405873705/georg-trakl.jpg

Zu Georg Trakls Gedicht „Die tote Kirche“
Von Thomas Anz

1909 schrieb Georg Trakl das Gedicht „Die tote Kirche“, doch zu Lebzeiten des vor 100 Jahren gestorbenen Dichters ist es nie erschienen. Lyrikanthologien haben es bis heute gemieden, Interpreten ignoriert. Gehört es zu den Gedichten, die Georg Trakl missglückt sind? Gewiss nicht. Es spricht von Gesang, vom Klang der Glocke oder vom Rauschen der Orgel, und es ist wie alle Gedichte Trakls selbst durch und durch Musik. Die rhythmische Wiederholung und Variation gleicher Laute, Wörter, Bilder und Motive, deren Sinn oft vage bleibt, rufen Stimmungen und Emotionen hervor, die einige Verse ausdrücklich benennen: innere Lähmung, Wut, Trauer, Verzweiflung und Angst...
Trakls Blick auf jämmerliche Spieler mit religiösen Ritualen scheint allerdings in der Übertragung auf ein Phänomen des Missbrauchs, das sich gegenwärtig in ganz unterschiedlichen religiösen Kulturen wieder häuft, Aktualität zu behalten... Wo sich hier sogar Gewalt mit Zeichen der Religiosität umgibt, wie es Trakl selbst in den Monaten vor seinem Tod in zahllosen Kriegsgedichten und nicht nur dort wahrnehmen konnte und wie es uns heute an vielen anderen Kriegsschauplätzen neu vorgeführt wird, ist man versucht, ihn mit dem Schreckensruf zu zitieren: „Erbarme dich unser“.


... der doch nicht seiner ist! Die Stimme, die da schluchzt auf und die wie aller Stimmen klang, ist doch die eines der schlechten Beter mit den erstarrten Herzen, dem erloschnen Blick und dem toten Herzen, die da -mit dem blutend Schmerzensantlitz - gemeinsam ins Leere starren. Wo bzw. wer also sollte das "Du" sein, das im „Erbarme dich unser“ angeschluchzt wird?
Im Übrigen wäre zu fragen, wo der Missbrauch sein soll, wenn das, was da angeblich missbraucht wird - also die Religion - selbst der Missbrauch des Menschen ist. Und sei es nur, weil sie ihn klein macht:

https://4.bp.blogspot.com/-gw5EXFkiqWw/VFp70yDtsRI/AAAAAAAAAL8/0NHOygtPif4/s1600/Badass%2Bin%2BBandW.jpg
Badass Jihadis in White and Black

Und alle, geifernd ihren dummen Glauben, schicken
Zu Jesus bettelnd hin ihr ewiges Klagelied,
Ihm, fern den schlechten Magren und den bösen Dicken,
Den, gelb vom fahlen Fenster, hoch man träumen sieht.

Fern ihm die Fleisch und Kleiderschimmeldünste ziehen,
Kraftlose, dunkle, widerliche Spottgeburt;
Doch von gewählten Worten die Gebete blühen,
Und heiße Melodie in den Mysterien surrt.


Rimbaud ist da uneindeutig-eindeutiger, wiewohl die deutsche Übersetzung nur eine Ahnung vermitteln kann:

Les pauvres à l'église (1870) - Arthur Rimbaud

Parqués entre des bancs de chêne, aux coins d'église
Qu'attiédit puamment leur souffle, tous leurs yeux
Vers le choeur ruisselant d'orrie et la maîtrise
Aux vingt gueules gueulant les cantiques pieux ;

Comme un parfum de pain humant l'odeur de cire,
Heureux, humiliés comme des chiens battus,
Les Pauvres au bon Dieu, les patrons et le sire,
Tendent leurs oremus risibles et têtus.

Aux femmes, c'est bien bon de faire des bancs lisses,
Après les six jours noirs où Dieu les fait souffrir !
Elles bercent, tordus dans d'étranges pelisses,
Des espèces d'enfants qui pleurent à mourir.

Leurs seins crasseux dehors, ces mangeuses de soupe,
Une prière aux yeux et ne priant jamais,
Regardent parader mauvaisement un groupe
De gamines avec leurs chapeaux déformés.

Dehors, le froid, la faim, l'homme en ribote :
C'est bon. Encore une heure ; après, les maux sans noms !
- Cependant, alentour, geint, nasille, chuchote
Une collection de vieilles à fanons :

Ces effarés y sont et ces épileptiques
Dont on se détournait hier aux carrefours ;
Et, fringalant du nez dans des missels antiques,
Ces aveugles qu'un chien introduit dans les cours.

Et tous, bavant la foi mendiante et stupide,
Récitent la complainte infinie à Jésus
Qui rêve en haut, jauni par le vitrail livide,
Loin des maigres mauvais et des méchants pansus,

Loin des senteurs de viande et d'étoffes moisies,
Farce prostrée et sombre aux gestes repoussants ;
- Et l'oraison fleurit d'expressions choisies,
Et les mysticités prennent des tons pressants,

Quand, des nefs où périt le soleil, plis de soie
Banals, sourires verts, les Dames des quartiers
Distingués, - ô Jésus ! - les malades du foie
Font baiser leur longs doigts jaunes aux bénitiers.


Wahrheit ist Schmerz. Das trunkene Schiff

Arthur Rimbaud: Das trunkene Schiff - Übersetzt von Paul Celan
Faszinierend auch: Rimbaud: Le bateau ivre - Gerard Philipe

Wahrheit ist Schmerz
Zum 100. Todestag des Dichters Georg Trakl - Gunnar Decker, ND 03.11.2014

... angeregt durch Hartmut Finkeldeys Beitrag zu Anz' Interpreatation: bei Kritik und Kunst.

Siehe auch
- Das Kreuz mit der Burka
- Babylon by Bus: I Giardini Pensili Hanno Fatto Il Loro Tempo - Semiramis und die Hure Babylon. Von der Notwendigkeit, sich aus der Glocke der apokalytischen Bilder zu befreien

Augen-Blicke: Your voice, your eyes ... Nostalgia Strange Fruit




Your voice, your eyes... - Alphaville - Jean-Luc Godard - 1965
via POUR 15 MINUTES D'AMOUR

Your voice, your eyes ... Nostalgia
https://www.billboard.com/files/styles/promo_650/public/media/annielennox-nostalgia-albumcover-pr-image-2015-billboard-650.jpg



Annie Lennox - Strange Fruit*: video premiere - Eurythmics frontwoman tackles the chilling Billie Holiday classic (The Guardian MusicBlog - dort ist das Video zu sehen!) von dem bemerkenswerten Album Nostalgia:

Annie Lennox's ongoing evolution from New Wave ruler into U.K. queen of blue-eyed soul isn't exactly surprising – her magnificent voice has always had an R&B foundation, on display in this orchestral set of jazz and blues standards. "Summertime," "Strange Fruit" and "God Bless the Child" show reverence and impeccable technique yet not quite enough signature to transcend mere impressiveness. Standouts: the Andrews Sisters' "I Can Dream, Can't I?" playfully set to a cha-cha groove, and Ellington's "Mood Indigo," with barrel-house brass and raw, if measured, blues hollers. "C'mon, play that thing!" Lennox goads a horn player. One might say the same to her. (Rolling Stone, Will Hermes | October 21, 2014)

Reinhören in das Album können Sie hier.
__________________
* Archäologie CCXLXIII: Abel Meeropol "Strange Fruit". Geschichte eines Liedes
Ich fand bisher, dass Beth Hart & Joe Bonamassa die faszinierendste neuere Interpretation angeboten haben, spannend ist jetzt der Vergleich mit Annie Lennox's Interpretation.



+ Archäologie CXCVII: Nostalghia - Tarkowskis Nostalghia (1983)
+ GBlog-Augen-Blicke

Archäologie (CCCLI): 70s rock icon Blondie (Debbie Harry)

As a devotee to Deborah Harry freue ich mich immer, wenn ich neues Altes von ihr entdecke:

https://3.bp.blogspot.com/-C_iMuqHWsq8/VD-DzEmFPDI/AAAAAAAAXEc/_Be6k30p7hg/s1600/debbie_2868918k.jpg

Heute ein schönes Photo von American photographer Christopher Makos (born 1948) who was an apprentice of Man Ray and collaborated with Andy Warhol. His major field of interest is pop culture (including rock), with famous shots of the likes of Andy Warhol, Elizabeth Taylor, Salvador Dalí, John Lennon and Mick Jagger. The picture above shows his take on 70s rock icon Blondie (Debbie Harry). Via Art for art's sake

Onkel Ernst



Lieblingsernstkahlbild

Wise Man Says

"Es gibt so viele Arschloch-Typen wie es menschliche Funktionen, Tätigkeiten und Interessengebiete gibt. Und auf jedem Gebiet kann das Verhältnis von AQ zu IQ ein anderes sein. Kein noch so kopfdenkerisches Verhalten bei einem Thema bietet Gewähr dafür, dass nicht schon beim nächsten der Arschdenk mit voller Wucht einsetzt." Charles Lewinsky, Der A-Quotient

Wise Man Says II

"The illusion of freedom will continue as long as it's profitable to continue the illusion. At the point where the illusion becomes too expensive to maintain, they will just take down the scenery, they will pull back the curtains, they will move the tables and chairs out of the way and you will see the brick wall at the back of the theater." Frank Zappa

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