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Wenn ein Millionenheer von Flüchtlingen ... (XIX) : Asyl und Arbeit

Gustav Seibt empfiehlt heute in der Süddeutschen Zeitung einen Aufsatz von Dirk Hoerder - Arbeitsmigration und Flucht vom 19. bis ins 21. Jahrhundert (Mittelweg 36, Heft 1 – Februar/März: Wandern. Zur Globalgeschichte der Migration)
Ein Auszug aus Hoerders Aufsatz als teaser:
    Schon einer der Urtexte westlicher Zivilisation thematisiert Migrationsbewegungen. Das Alte Testament berichtet von zwei mit prinzipiellen Fragen befassten Dissidenten, Eva und Adam genannt, die mit dem Schwert des Landes vertrieben wurden. Für diejenigen, die diese Begebenheit einst aufgezeichnet haben, war die Geschichte vom Auszug des Volkes Israel aus Ägypten eine ihre Identität stiftende Erzählung. (...)
    Mehr als zwei Jahrtausende später, etwa um 1800, litten die Menschen in der »Europa« genannten Großregion schlimme Not. In vielen Landstrichen gab es weder Milch noch Honig und trotz harter körperlicher Arbeit nicht einmal genug Brot zum Leben. Viele traten, zur Migration genötigt, die Wanderung za chlebem, ad panem an. Allerdings boten sich ihnen in den Städten Europas kaum Erwerbsmöglichkeiten. (...) Bereits nach dem Einschnitt der Französischen Revolution und der sich seit dem Wiener Kongress 1815 europaweit formierenden Reaktion hatten viele Millionen Männer und Frauen mitsamt ihren Kindern Europa verlassen. Die Verheerungen der beiden Weltkriege sorgten im 20. Jahrhundert dafür, dass der Strom derer, die dem Kontinent den Rücken zukehrten, nicht abriss. Bis 1955 waren etwa 55 Millionen Menschen abgewandert, darunter allein aus den Gebieten, die seit 1871 das Deutsche Reich ausmachten, etwa 7 Millionen Deutschsprachige. Die allermeisten von ihnen waren, um es in der polemischen Diktion der Gegenwart zu sagen, Wirtschaftsflüchtlinge. (...)
Seibt referiert Hoerders Froschungsergebnisse:
    ... Langfristig haben Migrationssysteme die Tendenz, sich selbst zu regulieren - wo Chancen fehlen, bleiben bald auch die Migranten aus. Allerdings setzt das die Abhilfe bei elementarer Not voraus - im jüngsten Fall Syrien hat es eine kurzsichtige europäische Politik sogar daran fehlen lassen. Fatal ist auch die Steuerung durch den Flaschenhals eines Asylrechts, das nur unvollkommen auf die Wirklichkeit und die völkerrechtlichen Regelungen der Fluchtbewegungen vor Krieg und Verfolgung antwortet. Hier hat sich, wie Didier Fassin im selben Heft (Vom Rechtsanspruch zum Gunsterweis. Zur moralischen Ökonomie der Asylvergabepraxis im heutigen Europa) darlegt, seit den Siebzigerjahren eine fatale Veränderung vollzogen: Je exklusiver und moralisch höher bewertet das Recht auf Asyl wurde, umso misstrauischer wurden diejenigen geprüft, die es in Anspruch nehmen wollen.
    Heute liegen in Mitteleuropa die Ablehnungsquoten bei neunzig Prozent, während in den Siebzigerjahren die meisten Bewerber noch anerkannt wurden - Folge eines veränderten Arbeitsmarkts, der wirtschaftliche Migration fast ausschließt und das Phantasma des "Asylschwindlers" hervorbrachte.
    Damit geht eine bezeichnende Veränderung der Anerkennungsgründe einher: Die besten Aussichten haben nicht mehr politisch oder religiös Verfolgte, sondern Frauen, die vor drohender Genitalverstümmelung fliehen, und Homosexuelle. Die Gewährung von Asyl wird zur Demonstration genderpolitischer Liberalität im Kampf der Kulturen, zur globalen Maßnahmepädagogik.
Der Blick des Historikers kann ja hilfreich sein; -im Übrigen treffend formuliert.


https://1.bp.blogspot.com/-XykykhPh4UA/VrCvRHVgo1I/AAAAAAAALQQ/AvO4duvKWwI/s1600/Cat_004_KnockKnock.jpg
Knock Knock (1961) - This Week's Lichtenstein #28 - If Charlie Parker Was a Gunslinger

Kommen Sie rein, nehmen Sie bitte noch im Wartezimmer Platz ...

Die anomische Herrschaft der Rackets und der verwilderte Leviathan (XXX): "Zusätzliche Truppen gegen Putin: Nato plant Aufrüstung ..." - The War Room Scene feat. Hans-Lothar Domröse

Das ist augenblicklich der schönste Titel aus dem Angebot zu Ausführlicher Hintergrund (zum Beschluss der NATO-Verteidigungsminister von Mittwoch) ... and the winner is: FOCUS!

Eine differenzierte Darstellung von Stoltenbergs Ankündigung einer enhanced forward presence finden Sie hier (Augen geradeaus!).

Das Denken, das hinter der enhanced forward presence steckt, veröffentlicht- wie ich finde ganz großartig, weil einerseits militärisch-schnarrend, andererseits NATO-speak-technokratisch mit Zitzewitz-Humor = insgesamt Helmut-Schmidt-mäßig verbindliche Lagebeurteilung liefernd, keinen Widerspruch zulassend - der Hans-Lothar Domröse (* 28. Dezember 1952 in Hannover), ein General des Heeres der Bundeswehr. Seit dem 14. Dezember 2012 ist er Oberbefehlshaber des Allied Joint Force Command Brunssum*, - offenbar auf einer Tagung der CDU-CSU-Fraktion im vergangenen Jahr.

Sehr schön auch: in dem Wikipedia-Eintrag wird Ihnen erklärt, welche Auszeichnungen er da am Jackett trägt! ... u.a. auch die NATO-Medaille „Former of Yugoslavia“. - Was das sein soll, verstehe ich ehrlich gesagt nicht; - ich dachte immer, das sei Tito gewesen. Vielleicht ist aber auch gemeint: „Former of What Came After NATO Smashed 'The Socialist Federal Republic of Yugoslavia".
Was mir auch zu denken gibt: Die NATO Einsatzmedaille KOSOVO + Bandspange im Verleihungsetui original bekommt man hier bei BetterShops.de für schlappe EUR 24,90 + EUR 3,89 Versand!?!


View on YouTube - Via opablog

Als anerkannter Kriegsdienstverweigerer (vgl. hier)
schwärme ich eigentlich nicht so für Generäle und Oberbefehlshaber, aber des Herrn Domröses Rede empfehle ich, um dieses Denken zu studieren, das dazu führt:
    Heute morgen sind wir angekommen, und man empfing uns nicht gut, denn es war niemand am Strand außer einem Haufen Toter und Stücke von Toten, Tanks und demolierten Lastwagen. Aus allen Ecken Kugeln, und ich mag das nicht, diese Unordnung zum Spaß. Wir sind ins Wasser gehüpft, aber es war tiefer, als es aussah, und ich bin auf einer Konservenbüchse ausgerutscht. Dem Vogel, der genau hinter mir war, hat die Kugel dreiviertel seines Gesichts weggerissen, und ich habe mir die Konservenbüchse zur Erinnerung behalten. Die Stücke von seinem Gesicht habe ich in meinen Helm getan, ihm gegeben, und er ist weggegangen, um sich behandeln zu lassen, aber offenbar den falschen Weg, denn er ist ins Wasser gegangen, bis er nicht mehr stehen konnte, und ich glaube nicht, dass er unter Wasser genug sieht, um sich nicht zu verlaufen...

    Ich stehe immer noch auf der Mine. Heute morgen sind wir auf Patrouille gegangen, und wie immer ging ich als letzter, sie sind alle daran vorbei gelaufen, aber ich habe das Klicken unter meinem Fuß gehört und bin sofort stehengeblieben. Die Dinger gehen erst los, wenn man seinen Fuß wegnimmt. Ich habe den anderen zugeworfen, was ich einstecken hatte und habe ihnen gesagt, sie sollen weggehen. Ich bin ganz allein. Ich soll warten, bis sie wiederkommen, aber ich habe ihnen gesagt, sie sollen nicht wiederkommen, und ich könnte versuchen, mich flach auf den Bauch zu werfen, aber ich habe Angst, dann vielleicht ohne Beine leben zu müssen. Ich habe nur mein Notizbuch und den Bleistift behalten. Ich werde sie wegwerfen, bevor ich mich auf das andere Bein stelle, und das muß ich, weil ich den Krieg satt habe und weil mir die Ameisen kommen
Immer wieder der Hinweis auf Boris Vian - Die Ameisen
+ Tucholsky: Der bewachte Kriegsschauplatz
+ GBlog: Die anomische Herrschaft der Rackets und der verwilderte Leviathan
+ Zum Vergleich im Hinblick auf dieses Denken, da wir doch offenbar wieder im Kalten Krieg sind: Archäologie (CCCXLII) : Dr. Strangelove (1964) - The War Room Scene




____________________________________
* Brunssum ist übrigens nur ein Ort in den Niederlanden, Sitz des Kommandos; - ich dachte erst, das sei so eine Furcht einflößende NATO-Abkürzung (BrutalenationaleSouveränitätsUmgehungs-Strategie oder so ...).
Hier das Vereinswappen des JFC Brunssum (- klingt jetzt doch ein wenig nach 3. Liga, aber ich will mich da nicht auf das Domröse-Niveau von wegen Ich mit meinen 3 Panzern einlassen ...):

https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/5/5e/NATO_HQ_AFCENT_Wappen-2-2.jpg/298px-NATO_HQ_AFCENT_Wappen-2-2.jpg

Enhanced forward Vereinswappen ... Fuck me running!

Wenn ein Millionenheer von Flüchtlingen ... (XVIII) : Next time someone wonders why refugees are risking everything to come to Europe, show them this


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https://static.independent.co.uk/s3fs-public/styles/story_medium/public/thumbnails/image/2016/02/02/17/homs.png
Demnächst vermutlich ein sicheres Herkunftsland.

Drone footage reveals devastation of Homs in Syria as Europe's stance towards refugees toughens (The Independent, Thursday 4 February 2016)
Drone video shows level of devastation in Damascus. The footage was captured over the Syrian capital's district of Jobar (The Independent, Wednesday 23 December 2015)


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Update: Kobanê, ein Jahr danach (Michael Knapp tp 07.02.2016)

https://www.heise.de/tp/bild/47/47291/47291_5x.jpg
Innenstadt Foto: Michael Knapp


Vermutlich alles russische Propagandafilme - wie dieser:


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Integrationsunwilligkeit / Unterwerfung / Kriterien

https://mocholand2.files.wordpress.com/2016/01/tumblr_nzvm1n5dfc1r4a9mro1_1280.jpg?w=549&h=515
Via The World Is Only One

Tilo Jung: Wie soll "Integrationsunwilligkeit" gemessen werden?


How to Pronounce These Tricky German Words

- »Unterwerfung« von Michel Houellebecq am Deutschen Schauspielhaus Hamburg - Die Krux mit dem Kreuz
In »Unterwerfung« provozierte Michel Houllebeq mit der Vision eines muslimisch regierten Frankreichs. Nun brilliert Edgar Selge am Deutschen Schauspielhaus Hamburg als schäbig zynischer Protagonist Francois. (Hans-Dieter Schütt, ND, 08.02.2016)


- Houellebecqs Roman als Ein-Mann-Show (Elske Brault, Deutschlandradio Kultur, 06.02.2016 - Beitrag hören)

Archäologie (CDLXXXVIII): Heimerziehung in der BRD. Medikamententests. Birkenhof Hannover. Für besondere aufsichtsbehördliche Maßnahmen bestand keine Veranlassung. Bambule!

Fefe schreibt: Medikamente testen ist teuer. Besonders wenn man vorher um Erlaubnis fragt und die Tester bezahlt. Also macht man das halt nicht. - Das sind so genau die Stories, die man früher aus dem Osten hörte. Der fiese Warschauer Pakt, im Westen un-denk-bar, sowas!!
Aktuell: Frankreich: Medikamententests gehen trotz des Todesfalls weiter (SPON 18.01.2016)

Wenn ich mich richtig erinnere, ließen in den 80er Jahren westliche Pharmafirmen Medikamente in DDR-Krankenhäusern testen (Tagesspiegel, 29.12.2012). Es ist ein Zwischenbericht des Forschungsprojekts „Klinische Arzneimittelforschung in der DDR, 1961 –1989“ zu finden; danach verliert sich die Spur (im Netz jedenfalls; vgl Tagespiegel vom 03.07.2014). Haben Sie nochmal davon gehört?

Gestern nun berichtete frontal21 über Medikamententests in Heimen und Kinder als Versuchskaninchen:
Pharmafirmen wie Merck oder die Tropon-Werke Köln haben in den 50er und 60er Jahren an Heimkindern Medikamente testen lassen. Nach Recherchen von Frontal21 wurden beispielsweise in der Kinder- und Jugendpsychiatrie Wunstorf bei Hannover, den Rotenburger Anstalten bei Bremen sowie im Landeskrankenhaus Düsseldorf an den weitgehend recht- und wehrlosen Insassen unter anderem Neuroleptika erprobt.

Sie können den Beitrag (in der ZDF-Mediathek) ansehen, das Manuskript finden Sie hier.
SPIEGEL-Online fasst zusammen:
    Als Scheidungskind war M. G. 1972 in den Birkenhof abgeschoben worden, ein geschlossenes Mädchenheim in Hannover. Monatelang musste die 14-Jährige täglich Tabletten einnehmen, obwohl sie, wie sie heute sagt, kerngesund war: "Warum ich die kriegte, weiß ich nicht. Ich war nie krank in meinem Leben."
    Nach einem Vierteljahr kam sie in die Kinder- und Jugendpsychiatrie Wunstorf bei Hannover, wo eine Ärztin mit einem EEG die Gehirnströme des Mädchens aufzeichnete. Die Prozedur wurde mehrmals wiederholt. Dann nahm die Ärztin eine schmerzhafte Lumbalpunktion vor. Dabei saugte sie mit einer Spritze Gehirnflüssigkeit aus dem Wirbelkanal ab.
    Wie Marion Greenaway erging es nach Recherchen des ZDF-Magazins "Frontal 21" auch anderen Mädchen aus dem Birkenhof. Keine der Betroffenen erfuhr den Hintergrund der Untersuchung. In Wunstorf existieren keine Unterlagen mehr, in Marion Greenaways Heimakte fehlt jeder Hinweis auf eine Behandlung. ...

    Die Untersuchungen in Wunstorf führte eine Ärztin durch, die auch schon zehn Jahre zuvor dort an einer Studie mitgewirkt hatte. Chef der Kinder- und Jugendpsychiatrie Wunstorf war bis Anfang der Sechzigerjahre Hans Heinze, ein skrupelloser Arzt mit Nazivergangenheit. Während der NS-Zeit war er Gutachter des Euthanasie-Mordprogramms T4, bezeichnete unzählige Kinder als "lebensunwert" und schickte sie in den Tod. Nach 1945 konnte er seine Karriere in Wunstorf fortsetzen.
    Unter seiner Leitung mussten Anfang der Sechzigerjahre Heimkinder über längere Zeit die Arznei Encephabol mit dem Wirkstoff Pyritinol schlucken. Der Versuch fand in Kooperation mit der herstellenden Pharmafirma Merck statt. Der Darmstädter Konzern brachte das Medikament 1963 auf den deutschen Markt, es wird heute als Antidemenzmittel verkauft. Die Ergebnisse der Studie veröffentlichte Heinze in einer medizinischen Fachzeitschrift - einer der wenigen bisher bekannten Belege für Medikamententests mit Heimkindern.
    Zu den Medizinern, die nach 1945 ungehindert weiterforschen konnten, zählte auch Friedrich Panse. Auch er war als Gutachter in das Euthanasie-Mordprogramm der Nazis verstrickt. Der Psychiater und Neurologe war seit den Fünfzigerjahren Leiter der Rheinischen Landesklinik in Düsseldorf. Er veranlasste 1966 eine Studie mit dem Medikament Truxal (Wirkstoff Chlorprothixen), das damals von den Troponwerken Köln, heute Meda, hergestellt wurde. Das Psychopharmakon wird in der Fachinformation nur für Erwachsene empfohlen, damals wurde es aber an Kindern des Heims Neu-Düsselthal erprobt.
    Innerhalb eines Dreivierteljahrs mussten die Kinder des Kinderheims insgesamt über 37.000 Pillen schlucken, darunter allein 13.000 Tabletten Truxal....

Ich kann mich erinnern, dass in den 60er Jahren die Drohung "Wenn Du nicht gehorchst, kommst Du ins Heim" gängiges Erziehungsmittel war und dass hier in Hannover dann auch die Rede war von den Birkenhof-Mädchen (als abschreckendes Beispiel). Ein ZDF-Film von 2013 hat das verarbeitet:
    Und alle haben geschwiegen - Über das Leid der Heimkinder
    Nicht für alle waren die 50er und 60er Jahre in der Bundesrepublik eine Zeit des Aufbruchs. In kirchlichen und in staatlichen Heimen wurden etwa 800.000 Kinder jahrelang unter heute unvorstellbaren Bedingungen gedemütigt, geschlagen, ausgebeutet und eingesperrt.
    Es waren meist nichtige Gründe, die zur Einweisung in die Erziehungsanstalten führten – Gründe, die ein gesellschaftliches Kartell bestimmte, zu dem Jugendbehörden, Gerichte, Lehrer, Nachbarn, Eltern und vor allem die damals noch einflussreichen Kirchen gehörten.

    Umfangreiches Hintergrundmaterial sowie Film und Dokumentation in der Mediathek des ZDF!!
Ich habe in meinem Beitrag Diagnostik: The Proper Education: Heimerziehung in der BRD (2013/03/07) auf folgendes hingewiesen:
    Interessant ist eine Szene in der ZDF-Dokumentation zum Film (ab 24:20): Ein Sonderpädagoge, der Gespräche mit Insassen von Erziehungsheimen führen konnte, übergibt sein Material einer Journalistin: Ulrike Meinhof! -
    321361
    Es gibt ja nicht wenige Hinweise darauf, dass die Radikalisierung der Meinhof, Baader, Enslin nur zu begreifen ist im Zusammenhang mit ihrem Engagement für Heimzöglinge - und dass die zweite Generation der RAF sich rekrutierte u.a. aus ehemaligen Heimzöglingen.

    Im schleswig-holsteinischen Glückstadt gab es in der Nacht vom 7. zum 8. Mai 1969 einen Aufstand von Heimzöglingen, der möglicherweise sogar mit Hilfe von Marinesoldaten niedergeschlagen wurde. Unter den rebellierenden Jugendlichen, die als Strafe teilweise KZ-Kleidung tragen mussten, war auch der spätere RAF-Terrorist Peter-Jürgen Boock...
    Die in Haus 1 und 2 untergebrachten 80 Heimzöglinge zündeten Matratzen und Kleidungsstücke an, rissen sanitäre Anlagen aus den Wänden, zertrümmerten Fenster wie Möbel und attackierten das Heimpersonal. Einer der Rebellierenden war der damals 17-jährige Peter-Jürgen Boock, der nach der Heimrevolte in das hessische Jugendhaus von Rengshausen verlegt wurde. Dort kam er unter anderem mit Andreas Baader und Gudrun Ensslin in Kontakt, die sich wie Meinhof für die Interessen von Heiminsassen einsetzten, und fand kurze Zeit später Unterschlupf in deren WG, ehe er selbst zum Terroristen der zweiten Generation wurde...

    Dieter Hanisch: Aufstand der Heimkinder; Freitag 08.05.2009

    Man darf es wohl bemerkenswert nennen, dass man das, was heute aufgearbeitet wird, schon 1970 wissen konnte - wenn man denn wissen wollte. Aber man tue bitte nicht so, als hätte man nicht wissen können!!

Dabei bleibe ich. Im Übrigen gespannt, ob meine Lieblings-HAZ anlässlich der akutellen Veröffentlichungen sich der Geschichte des Birkenhofs annimmt.

Spuren gibt es:

- Die Homepage ehemaliger Heimmädchen des Birkenhof- Hannover, dort auch Birkenhof- Lebenserfahrung von Continua. Ein berüherender Bericht einer zum Zeitpunkt der Veröffentlichung 61jähigen Frau, der endet mit den Worten: Und: wird es uns jemals gelingen, die Scham, das Schuldgefühl, den Schrecken aus unserem Leben zu verbannen?

- Am 7. Juli 1978 berichtete die ZEIT unter dem Titel Keine Bambule im Birkenhof über eine Dokumentation des Bremer Sozialarbeiters Peter Brosch:
    Die ... Kritik richtet sich gegen die „unhaltbaren und menschenunwürdigen“ Zustände in dem geschlossenen Heim....
    Hannovers Regierungspräsident ließ die Vorwürfe untersuchen. Das Ergebnis: Das Wohl der im „Birkenhof“ befindlichen Mädchen sei nicht gefährdet. „Für besondere aufsichtsbehördliche Maßnahmen besteht daher keine Veranlassung.“ ...
    Begründet wird die absolute Autorität in einer solchen Anstalt häufig durch die Eltern. Zwei Drittel der Birkenhof-Mädchen wurden von der Familie hierhergeschickt, auf Grund eines Antrags auf „Erziehungshilfe“. Vier Monate müssen sie mindestens bleiben, bei vielen wird ein Jahr daraus. Während dieser Zeit können die Zöglinge in einer heimeigenen Schule die achte und neunte Klasse besuchen. Dazu erwerben sie ein paar hauswirtschaftliche Kenntnisse. In den Werkstätten und der Wäscherei des Kirchröder Heims sammeln sie ein bißchen Berufserfahrung – eine mangelhafte Ausbildung. Der Weg in ein zufriedenstellendes Leben, darauf weist die Heiminitiative hin, kann in diesem „Birkenhof“ nicht beginnen. Eine hannoversche Anzeigenpostille ließ sich denn auch als Titel einfallen, was die Öffentlichkeit den Mädchen vom „Birkenhof“ unkritisch unterstellt: am Ende bleibt nur der Strich“. ...

- Bambule (Wikipedia) ist ein deutsches Fernsehspiel des Südwestfunks aus dem Jahr 1970; Regie führte Eberhard Itzenplitz, das Drehbuch stammt von Ulrike Meinhof. Die Ausstrahlung des Films war für den 24. Mai 1970 in der ARD geplant, wurde wegen der Beteiligung der Drehbuchautorin Ulrike Meinhof an der Befreiung von Andreas Baader am 14. Mai aber abgesetzt.
Erst ab 1994 wurde der Film in den dritten Programmen der ARD gezeigt. Film und Drehbuch sind die authentische Wiedergabe der Zustände, die sie in ihren Reportagen über Heimerziehung beschrieben hat und heute wichtige Dokumente für die Beurteilung der Erziehungspraxis in Einrichtungen der Jugendhilfe der 1940er bis 1970er Jahre.



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My Tunnels Are Long And Dark These Days


View on YouTube und vgl. auch TIPP: Asaf Avidan – Gold Shadow - Männerbilder
[- Asaf Avidan in Concert im Pariser Folies Bergère (ARTE, aber hier als Slideshow)
+ Franz Ferdinand & Sparks in Concert.Wird bei ARTE publiziert am 07.02.2016. Das Konzert (im Bataclan) wird am 06.02.16 um 23.30 Uhr auf Arte ausgestrahlt. It's A Must!!]



The hungry crocodiles are dancing in the light
But what's up there besides the darkness of the night?


https://www.babyschlaflied.de/BILDER/pfeil_unten_02.gif

Aufklärung in the Slaughterhouse (III): The Hungry Crocodiles Are Dancing in the Light : Sloterdijks Lob der Grenze, Frau von Storchs Annahme, Frauen seien anders als Kinder verständig, - und ein Brief aus dem Flüchtlingscamp (+ updated: Sprache formt Wahrheit)

Unter dem Titel Sarrazin II: Aufklärung in the Slaughterhouse und die Architekten der deutschen Einheit vom 2009/10/25 musste ich melden:
    In einer Presseerklärung vom 19. d.M. kündigt der Presseerkärer von Cicero einen neuen robusten Tabubruch für den 22. d.M. an: Ein Herr Slaughterhouse werde den Sarrazin-Kritikern Feigheit vorwerfen:
    Berlin. Der Philosoph Peter Sloterdijk wirft den Kritikern des ehemaligen Berliner Finanzsenators Thilo Sarrazin Opportunismus vor. „Man möchte meinen, die deutsche Meinungs-Besitzer-Szene habe sich in einen Käfig voller Feiglinge verwandelt, die gegen jede Abweichung von den Käfigstandards keifen und hetzen“, wetterte Sloterdijk im Politikmagazin ‚Cicero’ (Novemberausgabe). Weil der Bundesbankvorstand so „unvorsichtig“ gewesen sei, „auf die unleugbar vorhandene Integrationsscheu gewisser türkischer und arabischer Milieus in Berlin hinzuweisen“, sei „die ganze Szene der deutschen Berufsempörer“ gegen Sarrazin auf die Barrikaden gegangen.
    „Sobald einmal ein scharfes Wort aus einem anderen Narrenkäfig laut wird, bricht auf der Stelle eine abgekartete Gruppendynamik los“, kritisierte Sloterdijk. Dabei gehe es zu, „als gelte es, einen Wettbewerb in Empörungsdarstellung zu gewinnen“. Auch Bundesbank-Chef Axel Weber habe sich „gegen die Epidemie des Opportunismus als nicht immun“ erwiesen. Des Philosophen Fazit: „Das Beispiel zeigt, wie tief bei uns der Sprachkarren im Dreck steckt.“
Inzwischen sind wir weiter: Der Mann gilt immer noch als Deutschlands führender Filosof, neben Safranski (der sich kürzlich im Deutschlandfunk denkbrühemäßig ähnlich positioniert hat), und kann als solcher aktuell in Cicero den Sprach- und Denkkarren voll in die Jauche fahren:
    „Die deutsche Regierung hat sich in einem Akt des Souveränitätsverzichts der Überrollung preisgegeben“, sagte Sloterdijk im Gespräch mit dem Magazin Cicero (Februarausgabe), „diese Abdankung geht Tag und Nacht weiter“.
    „Wir haben das Lob der Grenze nicht gelernt“, sagte Sloterdijk. In Deutschland glaube man immer noch, „eine Grenze sei nur dazu da, um sie zu überschreiten“. Innerhalb Europas schere Deutschland damit aus. „Die Europäer werden früher oder später eine effiziente gemeinsame Grenzpolitik entwickeln. Auf die Dauer setzt der territoriale Imperativ sich durch. Es gibt schließlich keine moralische Pflicht zur Selbstzerstörung....
    Der Lügenäther ist so dicht wie seit den Tagen des Kalten Kriegs nicht mehr.“

Überrollung, Lügenäther, keine moralische Pflicht zur Selbstzerstörung, territorialer Imperativ ...

Denkbrühe, Phrasenauswurf und Wortkotze, syntaktisch hemmungslos und mit schwach verankerten Sinngeländern

Philosoph Sloterdijk lobt Grenze und Nationalstaat: Sloterdijk grenzt sich wenig überzeugend vom "AfD-Ideen-Müll" ab, so Florian Rötzer (tp, 31.01.2016); - eine lesenswerte Auseinandersetzung mit dem Cicero-Interview. Allerdings scheint mir die Charakterisierung dessen, was aktuell von der AfD kommt, als "AfD-Ideen-Müll" etwas zu kurz zu greifen:

Die stellvertretende AfD-Chefin Beatrix von Storch hat ihre Äußerung zu einem möglichen Schusswaffengebrauch gegen Frauen und Kinder an der Grenze eingeschränkt. Nachdem sie zunächst auf ihrer Facebook-Seite die Frage, ob man Frauen mit Kindern notfalls mit Waffengewalt am Grenzübertritt stoppen sollte, bejaht hatte, relativierte sie ihre Aussage am Abend. Sie erklärte, ihr "Ja" habe sich nur auf die Frauen bezogen, nicht aber auf die Kinder. (SPON, Sonntag, 31.01.2016 – 19:46 Uhr)

Ich finde das noch obszöner als das, was vorher von ihrer Vorsitzenden beim Mannheimer Morgen rausgelassen wurde . Von Storch, die auch Vorsitzende der Alternative für Deutschland (AfD) in Berlin ist, sagte: "Gegen Kinder ist der Schusswaffeneinsatz richtigerweise nicht zulässig. Frauen sind anders als Kinder verständig", deshalb könne der Gebrauch von Waffen gegen sie "innerhalb der gesetzlich engen Grenzen" zulässig sein. Eine Voraussetzung sei beispielsweise, dass zuvor ein Warnschuss abgegeben wurde.

Das ist nicht Ideen-Müll, das ist - im Kontext: Von welchen Frauen ist denn hier die Rede? - originär faschistisches Vernichtungsdenken. Das klingt wie eine Dienstanweisung Himmlers für SS- Truppen in der Sowjetunion, oder??
- Hier offensichtlich vorgedacht von Sloterdijks langjährigem Assistenten Marc Jongen, von der FAZ als Der Parteiphilosoph der AfD ausgewiesen.

Ich wäre für: Einsperren. Damit könnte der von Sloterdijk, Safranski, Sarrazin, Petry et al. enteierte Staat nochmal zeigen, dass er in der Lage ist, als nicht verwilderter Leviathan sich zu behaupten -, wie Robert de Niro so wunderbar formulierte -: 'I had to bust your balls.'
Stattdessen: Der Überbietungswettbewerb in der Flüchtlingsdebatte - Fast täglich gibt es neue Vorstöße deutscher Politiker. In der Debatte um Flüchtlinge herrscht mittlerweile ein Überbietungswettbewerb, wer die schärferen Töne anschlägt. (Pro Asyl)
Dass dabei subtile Stimmungsmache gefährlicher ist als der AfD-Schießbefehl bzw. diesen provoziert (Auf einmal darf gesagt werden, was unsäglich ist - Kommentar von Heribert Prantl) zeigt eine Analyse des Sprachlog (In der Wahrheit liegt die Lüge):
    ... Nahles tut also viel mehr, als die offensichtliche Aussage zu machen, dass nur diejenigen Sozialleistungen bekommen, die die Bedingungen erfüllen: Sie suggeriert, dass es eine nennenswerten Anzahl an integrationsunwilligen Flüchtlingen gibt – groß genug, um einen Gastbeitrag in der FAZ zu rechtfertigen. Das klingt besser, als den Abschuss von Flüchtlingen zu fordern, aber es trägt umso mehr zu deren Dämonisierung und zur kippenden Stimmung in der Gesellschaft bei.
Update: Brillant (wie immer) Thomas Fischer in seiner Rechtskolumne, der aktuell einen Text seziert und zeigt, wie kippende Stimmung injiziert wird:
    Am 29. Januar 2016 veröffentlichte die FAZ – die Zeitung für nichts weniger als Deutschland – auf Seite eins einen kleinen Kommentar einer ihrer Herausgeber, Berthold Kohler, zu dem Handgranatenanschlag auf ein Asylbewerberheim in Villingen-Schwenningen: Dieser sei, so lasen wir,
      "der Höhepunkt einer langen Reihe von Brandstiftungen und anderen Anschlägen... Offenbar waren nicht bei jeder dieser Straftaten fremdenfeindliche Motive im Spiel. Doch kann niemand daran zweifeln, dass die Migranten (…) Zielscheiben einer zunehmend terroristische Züge tragenden Gewalt werden. Der Staat muss sie mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln bekämpfen, denn auch von dieser Seite her wird sein Gewaltmonopol angegriffen."
    Sie werden sagen: Ein FAZ-Text, wie er im Buche steht. Nicht die geringste Unkorrektheit zu erkennen. Ich sage Ihnen: Ein Kunstwerk. Ein Werk, das von der Farbe zwischen den Buchstaben lebt und mit Ihrem Unterbewussten ein güldenes Band der Innigkeit schließt. Aber auch ein Wahrheitswerk? Vermutlich haben nur wenige einen vertiefenden Blick darauf geworfen. Wir tun es, gerade wegen der im Nichts dahinmurmelnden Unauffälligkeit des Textes...
    (Die Lügenpresse - Eines ist sicher: Jeder hat seine eigene Wahrheit. Was öffentliche Wahrheit ist, bestimmt die Kommunikation. Doch wer hat jetzt recht? ZEIT Online, 2. Februar 2016)
Lesebefehl!!


Fefe weist aus aktuellem Anlass auf diese bemerkenswerte Aussage von Horst Seehofer hin:

View on YouTube


Auslage eines Fachgeschäfts für Flüchtlingsbedarf
https://3.bp.blogspot.com/-2Sj9U_Ss0Xs/VpV6yEiOu1I/AAAAAAAALaM/a1SrNhqaPzU/s640/tumblr_nyxrsji7yK1qaeks7o1_1280.jpg
Via PLANET MOCHO - Im linken Schaufenster sehen Sie den Schlüssel zur Integration, Ornamente deutscher Leitkultur und den Hinweis darauf, dass Integration ein schmerzhafter Prozess sein wird; rechts die allegorische Darstellung der deutschen Sozialsysteme ...



Aber!
KAPITÄN SCHWANDT schreibt zum Brief aus dem Flüchtlingscamp von Raphaele Lindemann, den immerhin auch die FAZ u.a. würdigen, der aber - so ist zu befürchten, auch wenn inzwischen - in Kürze Überbietungswettbewerb an den Rand gedrückt werden wird:

Einige Facebook-Freunde haben mich auf den Beitrag eines jungen Arztes hingewiesen, der die dramatische Lage in einem Flüchtlingscamp beschreibt. Was Raphaele Lindemann beschreibt, berührt einen mehr als jede Nachrichtensendung oder Diskussion. Es ist ein ungefilterter Blick in die Wirklichkeit, im Winter 2016. Diese Menschen – Flüchtlinge wie Helfer – brauchen unsere Unterstützung. Wir haben Raphaele gefragt, ob wir seinen Text für Alle, die nicht bei Facebook sind, veröffentlichen dürfen. Er schrieb zurück: “Ich fühle mich geehrt durch Euer Interesse. Ich Ihr macht ‘n super Job und Grüße an den Kapitän!”
Lest diesen Beitrag. Und dann beurteilt selbst, wie die Ereignisse eines Tages einzuordnen sind, an dem Frauke Petry von der AfD Schusswaffengebrauch gegen Flüchtlinge in Gespräch bringt, einen Tag, nachdem ein Flüchtlingsheim mit einer Handgranate angegriffen wurde.

Lesebefehl!!

Letzte Meldung: Anschläge auf Asylunterkünfte - Merbitz: „ Es herrscht Pogromstimmung“
Asylunterkünfte in Leipzig, Grimma, Oelsnitz und Chemnitz waren am Wochenende das Ziel von Anschlägen. In einem Fall ermittelt die Polizei wegen Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion. Polizeipräsident Bernd Merbitz spricht von einer Pogromstimmung.
(Leipziger Volkszeitung, 02. Februar 2016)

Wenn ein Millionenheer von Flüchtlingen ... (XVII) : MEDITERRANEA - Il Muro Occidentale o del Pianto - Die Schutzbefohlenen, Coda/Appendix - Der Flüchtling sollte als das betrachtet werden, was er ist: Nichts als eine Idee von Grenze.

MEDITERRANEA - Regie: Jonas Carpignano; mit Koudous Seihon, Alassane Sy; Italien/ Frankreich u. a. 2015 (DCM); 110 Minuten
Eine Kritik von Andreas Busche (KONKRET/Spot On):
    Im Januar 2010 sorgte die kalabrische Stadt Rosarno an der Südspitze Italiens international für Schlagzeilen, die in vielen Ländern Europas derzeit wieder sehr vertraut klingen. Halbstarke schossen mit Luftgewehren auf afrikanische Migranten, die anschließenden Proteste führten zu gewaltsamen Ausschreitungen, worauf sich die Einwohner der italienischen Kleinstadt zu einem Mob zusammenschlossen und die Afrikaner durch die Straßen jagten. Tausende Männer und Frauen mussten am Ende in Bussen an einem anderen Ort in Sicherheit gebracht werden. In Rosarno war es in der Vergangenheit wiederholt zu rassistischen Zwischenfällen gekommen, da viele Flüchtlinge aus Afrika auf ihrem Weg über das Mittelmeer in der kleinen Küstenstadt landen, die von der kalabrischen Mafia ’Ndrangheta kontrolliert wird. Zwei Jahre vor den Unruhen hatte bereits die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen die menschenunwürdigen Zustände auf den regionalen Orangenplantagen kritisiert, auf denen afrikanische Migranten für einen Hungerlohn arbeiten – von dem ein Großteil als Schutzgeld an die Mafia geht...
    »Mediterranea« vermittelt ein etwas anderes Bild von den modernen Flüchtlingsbewegungen, als es die westlichen Medien derzeit tun...


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Der Flüchtling hat nichts als das, was er bei sich trägt

Die Installation "Il Muro Occidentale o del Pianto" von Fabio Mauri.

https://polpix.sueddeutsche.com/bild/1.2837809.1453980414/640x360/konfiskation-fluechtlingseigentum.jpg

Degradiert zum rechtlosen Wesen
Was bedeutet es eigentlich, wenn ein Staat die Wertsachen von Flüchtlingen konfisziert? Über die Person, das Eigentum und die besondere Brutalität eines dänischen Gesetzes.

Von Thomas Steinfeld (Süddeutsche Zeitung, 27. Januar 2016)
    ... Doch ist das, was in Dänemark geschieht, nur eine besonders hässliche Seite eines Verfahrens, das an allen Grenzen innerhalb Europas praktiziert wird. Seine andere, noch brutalere Seite liegt gegenwärtig zum Beispiel in der Ägäis: Wenn europäische Politiker fordern, Griechenland müsse die Grenze zur Türkei besser "kontrollieren", fragt das griechische Militär zu Recht zurück, ob es nun die Boote der Flüchtlinge versenken solle.
    "Der Flüchtling", hatte der italienische Philosoph
    Giorgio Agamben vor vielen Jahren in einem berühmten Aufsatz erklärt, "sollte als das betrachtet werden, was er ist: nichts als eine Idee von Grenze." Wenn er ertrinkt, tut er das als Mensch, nicht als Person.
Lesebefehl!!

Etwas Besseres als den Tod
In Europa, genauer: innerhalb der Euro-
päischen Union und der mit ihr eng verbun-
denen Staaten, hat sich in den vergange-
nen zwei Jahrzehnten ein Missverständnis
durchgesetzt, das durch das Schengener
Abkommen befördert wurde: dass man
sich in diesem Raum als Mensch und
Rechtssubjekt frei bewegen könne. Oder
anders gesagt: Die beteiligten Staaten ha-
ben sich darauf geeinigt, unter gewissen
Bedingungen Rechtssubjekte anderer Staa-
ten wie eigene Rechtssubjekte zu behan-
deln. Solche Bedingungen gelten aber
nicht für Menschen, die aufgrund ihrer
Herkunft als rechtlos und aufgrund ihrer
fehlenden Qualifikationen als unbrauch-
bar erscheinen. Tauchen sie dennoch an
den Grenzen Europas auf, werden sie da-
her gleichsam doppelt zurückgewiesen:
als Menschen und als Wesen, denen Rech-
te zugesprochen werden. Und so heißt es
zwar über die Menschenrechte, sie seien
universal. Tatsächlich aber gibt es sie nur
dort, wo ein Nationalstaat ihnen zur Gel-
tung verhilft. Und das zu tun, sind die Staa-
ten der Europäischen Union nicht gewillt.



Die Schutzbefohlenen, Coda/Appendix - Elfriede Jelinek

    „Wir sind gekommen, doch wir sind gar nicht da“, sagt der Chor in Elfriede Jelineks Die Schutzbefohlenen. Obwohl sie in jüngster Zeit überall präsent sind, die Bilder von Flüchtlingsmengen, die sich auf Booten drängen und die Festung Europa zu erobern suchen, oder von aufbegehrenden Asylbewerbern in deutschen Städten, die auf öffentlichen Plätzen in den Hungerstreik treten; Stimmen haben diese Menschen selten. Anders in Jelineks Text: Hier meldet sich ein Chor aus Flüchtlingen und Asylsuchenden in einer lautstarken Litanei zu Wort und wird doch ungehört bleiben von den Angerufenen. Geschrieben als Reaktion auf jüngste Asylproteste in Wien, wo eine Gruppe von Flüchtlingen die Votivkirche besetzte, und später durch Zusatztexte zur Flüchtlingssituation auf Lampedusa erweitert, überführt Elfriede Jelinek in Die Schutzbefohlenen das Tagespolitische ins uralte Menschheitsdrama von Flucht und Abweisung: Die nur puzzleartig aufscheinenden aktuellen Ereignisse verweben sich mit anderen Texten und Diskursen, unter anderem mit Die Schutzflehenden des Aischylos. Aus den Schutzflehenden in der ältesten bekannten griechischen Tragödie werden aber vor dem Hintergrund von aufgeklärter westlicher Welt und vermeintlich allgemein gültigen humanistischen Werten die Schutzbefohlenen: also diejenigen, denen man verpflichtet ist, Schutz zu geben. Und es wird die Verweigerung dieses Schutzes nicht weniger als zum Verrat am Menschenrechtsgedanken selbst. ...

    Jelinek hat zwei Ergänzungen geschrieben, Coda und Appendix. Es sind verzweifelte, persönliche Texte über das Schicksal von Flüchtlingen. Jelinek trägt sie selbst vor, eine schauspielerische Distanz gibt es nicht. Die Ergänzungen sind keine Kapitulation der Kunst vor dem Leben, Jelinek versteht sich nach wie vor auf ihre Mittel. Aber sie ringt diesmal stark darum, das zu Sagende tatsächlich zu formulieren. Verstummen kann und will sie hier nicht. Umso mehr erschrickt man im Appendix, als es um den Tod geht: "Habt acht, ihr werdet mich nicht mehr oft hören." Das ist Erzähler-Fiktion, aber wohl auch ein Stück der Jelinek'schen Persönlichkeit. Ein Hinweis darauf, dass die Dinge zu groß werden und die Kraft nicht ewig reicht, sich ihnen zu stellen.
    (Diese Stimme - Süddeutsche, 28. Januar 2016)
Die Schutzbefohlenen, Coda und Die Schutzbefohlenen, Appendix, Bayern 2, Samstag, 15.05 Uhr. (mit Download-Links!)
    "Die Eroberung der Welt als Bild, das war einmal, denn Bild ist ja Herstellen. Die Menschen werden aber nicht hergestellt, und sie bleiben nicht, wo sie hingestellt werden. Sie kämpfen um ihre Stellung, das ist keine Stellung, so wie Sie sich das vorstellen, das ist einfach, wie sie sind. Sie haben es aufgegeben, dem Seienden ein Maß zu geben, denn das Maß ist noch nicht geschöpft, in das sie hineingehen. Sie gehen aber. Sie gehen weiter. Keine sonnengebräunten Wangen, aber wunde Herzen, tränenkundig, ja, weinen, das können sie. Sie müssen es können, alle außer Ärzten und Sehern, denen es schon vergangen ist, müssen es können. Was, Sie hatten drei Kinder, und jetzt sind es nur noch zwei, das dritte, zufällig drei Jahre alt, fehlt plötzlich? Das ist noch gar nichts im Vergleich zu anderen, die es gar nicht mehr gibt, beruhigen Sie sich!"
    Elfriede Jelinek, 'Die Schutzbefohlenen, Appendix'

Archäologie (CDLXXXVII): Neulich in der Tagesschau

2016-01-29-17_51_14-time-machine
Via 11k2 : Damit mir das keiner vergisst.

Auch schön und noch gar nicht so lange her:
CSU-Chef Horst Seehofer hält trotz der gegenwärtigen Probleme uneingeschränkt am Grundrecht auf Asyl fest. "An das Grundgesetz wird nicht herangegangen", sagte Bayerns Ministerpräsident am Freitagabend in München. (Südeutsche Zeitung, 11. September 2015)

Und immer und immer wieder:

Archäologie CVXVVX: 2Tone - The Specials & Madness: Madness ... Keep bangin' on the wall of Fortress Europe!

Das blindwütig um sich schlagende Racket und der verwilderte Leviathan (XXIX): Banden, Gruppen, Bürgerwehren - Dystopian Overture

Die gefühlte Bedrohung durch Rackets - insbesondere solche, die als wie auch immer organisierte Kriminalität mit einer Million unregistrierter Unbekannter einsickere - äußert sich in irrationalen Untergangsszenarien, nach denen sich die Sicherheitslage gravierend verschlechtere.
Thomas Fischer klärt auf (in seiner wie immer hilfreichen Rechtskolumne, ZEIT-Online): Das ist nicht ausgeschlossen, aber auch nicht erwiesen. Denn kriminelle Organisationen gibt es auch bei uns schon mehr als genug.

Er empfiehlt ein Experiment für Damen und Herren über 50:
    Schritt 1: Erinnern Sie sich an die "Rote Armee Fraktion" (RAF). Haben Sie sich damals (sagen wir: 1971 bis 1978) gefürchtet? Hielten Sie es für möglich, dass furchtbare Dinge passieren, die Sie selbst betreffen? Wissen Sie noch, wie Sie sich fühlten, als die Boulevardpresse mitteilte, die "RAF" plane Anschläge auf Kindergärten?

    Schritt 2: Erinnern Sie sich an den "Nationalsozialistischen Untergrund" (NSU). Letzte Woche lasen wir, 350 per Haftbefehl gesuchte mutmaßliche Gewalttäter aus der rechtsextremistischen Szene seien untergetaucht und lebten im Untergrund.

    Schritt 3: Versuchen Sie, Ihre Angst (oder Nicht-Angst) zu vergleichen. Wenn mich nicht alles täuscht, besteht in der deutschen Bevölkerung derzeit keine kollektive Angst vor dem NSU. Vor der RAF hingegen bestand große Angst. Sie konnte zeitweise bis zur Hysterie angefacht werden. Es hätte sich zu jeder Zeit in jeder deutschen Großstadt problemlos ein Lynchmob finden lassen, der die (mutmaßlichen) Täter der RAF samt ihren Helfern an die nächste Wand stellt.

    Schritt 4: Bitte schreiben Sie nun auf einen Zettel drei Gründe, warum Sie – oder die Bevölkerungsmehrheit – sich vor dem NSU nicht fürchten.

SPIEGEL ONLINE meldet heute, 28.01.2016 – 16:18 Uhr:
Gewaltwelle: BKA zählt mehr als tausend Attacken auf Flüchtlingsheime
Die Zahl der Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte hat sich 2015 laut Bundeskriminalamt verfünffacht. Die Sicherheitsbehörden sind alarmiert - auch, weil nicht nur radikale Rechte zu Gewalt greifen.


Sicherlich sind wir weit entfernt davon, dass dieses Land - wie Irak, Syrien, Lybien usw. - in strukturloser Willkür- und Gewaltherrschaft (Anomie) versinkt, bei der konkurrierende Milizen und Banden um Macht und Ressourcen kämpfen (vgl. ... Die anomische Herrschaft der Rackets), - aber ist nicht das blindwütig um sich schlagende Racket, mit dem wir es offenbar nun hier vermehrt zu tun haben, strukturell dem im Irak ähnlich und ebenso wie dort nur eine Seite der komplementären Krisenverlaufssymptomatik, die Tomasz Konicz sehr klug analysiert hat??

Die mit der Krise des Kapitals immer stärker um sich greifende Barbarisierung könnte somit den Zivilisationsprozess zwischen zwei Mühlsteinen, die bereits jetzt oft genug in Wechselwirkung treten, zermalmen: dem verwildernden Leviathan und dem blindwütig um sich schlagenden Racket....

Dass der Leviathan auf der A2 aka Warschauer Allee weiter verwildert in Richtung Push Back unterwegs ist, ist unübersehbar: Täglich neue Meldungen, was der neue Doppelstaat sich einfallen lässt, um den Normenstaat, dessen Handeln sich an Gesetzen orientiert, durch den Maßnahmenstaat, der sich an politischen Zweckmäßigkeitsüberlegungen ausrichtet, zu ersetzen:
    Die Niederlande bereiten einen europäischen Plan vor, Flüchtlinge von den griechischen Inseln direkt mit Fähren in die Türkei zurückzuschicken. Der Plan werde in mehreren EU-Staaten ausgearbeitet, darunter auch Deutschland, sagte der Fraktionschef der regierenden niederländischen Sozialdemokraten, Diederik Samsom, der Zeitung „De Volkskrant“. Die Türkei sei bereit, die Menschen wieder aufzunehmen, wenn sich EU-Staaten im Gegenzug verpflichten, bis zu 250 000 Flüchtlinge pro Jahr zuzulassen, sagte der niederländische Politiker.
    „Die Türkei muss noch einige Gesetze anpassen und die Situation der syrischen Asylsuchenden verbessern. Es muss ein sicheres Land sein“, betonte Samsom. Die ersten Fähren sollten bereits von März oder April an zur Rückführung eingesetzt werden...
    (FAZ, 28.01.2016)
Schön zu beobachten ist, dass die europäische Sozialdemokratie an einer weicheren Variante des Push Back arbeitet als die EU-Kommission - How To Squeeze Greece (XX): FYROM & FRONTEX


GBlog: Die anomische Herrschaft der Rackets und der verwilderte Leviathan ...

Wise Man Says

"Es gibt so viele Arschloch-Typen wie es menschliche Funktionen, Tätigkeiten und Interessengebiete gibt. Und auf jedem Gebiet kann das Verhältnis von AQ zu IQ ein anderes sein. Kein noch so kopfdenkerisches Verhalten bei einem Thema bietet Gewähr dafür, dass nicht schon beim nächsten der Arschdenk mit voller Wucht einsetzt." Charles Lewinsky, Der A-Quotient

Wise Man Says II

"The illusion of freedom will continue as long as it's profitable to continue the illusion. At the point where the illusion becomes too expensive to maintain, they will just take down the scenery, they will pull back the curtains, they will move the tables and chairs out of the way and you will see the brick wall at the back of the theater." Frank Zappa

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